JEWISH RENEWAL
Auf dieser Seite findet Ihr:
Was ist eigentlich Jewish Renewal?
Rabbi Marcia Pragers Reise von Purim zu Pessach und Schavuoth
Baruch Dayan HaEmet
Baruch Dayan HaEmet
Reb Zalman Schachter Shalomi sel.A. starb am 3.7.214 kurz vor seinem
90. Geburtstag. Wir sind sehr traurig über diesen grossen Verlust,
aber auch ausserordentlich dankbar für alle Inspiration, Leitung
und den Segen, den wir von unserem grossen Lehrer erhalten durften.
Der folgende link gibt einen interessanten Überblick über die vielen Facetten seines Wirkens.
http://www.thejewishweek.com/news/national/healing-reb-zalman
OHEL HACHIDUSCH ist Mitglied von
"ALEPH - Alliance for Jewish Renewal".
Jewish Renewal ist in den USA
und England ein seit langem anerkanntes Phänomen, auf dem europäischen
Kontinent jedoch noch weitestgehend unbekannt. Unser Dank gilt deswegen
Rabbinerin Marcia Prager, deren Artikel wir hier zitieren dürfen:
Was ist eigentlich Jewish Renewal?
Jewish
Renewal ("Jüdische Erneuerung") ist eine
strömungs-/denominationsübergreifende Bewegung im zeitgenössischen Judentum,
die jüdischen Gemeinden und jüdischem Alltag auf lustvolle Weise neue ethische
Impulse und spirituelle Vitalität verleiht. Die Zeit, in der wir leben, bringt
Veränderungen mit sich, wie sie in der Geschichte des Lebens auf unserem
Planeten bisher nicht dagewesen sind. Während vor diesem Hintergrund viele
Jüdinnen und Juden in der Rückkehr zu vormodernen Ausdrucksweisen der
Orthodoxie Halt und Sinn finden, suchen viele andere nach einem zeitgemäßen,
wahrhaft egalitären Weg, der die Grenzen der verschiedenen
Strömungen/Denominationen überschreitet und das Judentum als tiefgehende
spirituelle Praxis begreift, welche das eigene Ich und die Welt verwandeln
kann. Das also ist Jewish Renewal - eine weltweite Bewegung, geschaffen von
Tausenden von Menschen mit den verschiedensten jüdischen Lebensgeschichten.
Während viele von ihnen im Reformjudentum, im reconstructionist movement, im
konservativen oder im orthodoxen Judentum aktiv sind, gibt es andere, die sich
spirituell ausschließlich an Jewish Renewal gebunden fühlen.
Was macht Jewish Renewal zu einer so
besonderen Erfahrung?
Frauen und Männer sind bei uns
vollkommen gleichberechtigt und miteinander an der Gestaltung der Zukunft des
Judentums beteiligt. Menschen, die sich im traditionellen Judentum oft als
Außenseiter fühlen mussten, sind willkommen. Unsere Zusammenkünfte zum Beten
und Feiern sind sehr lebendig und sprechen Herz und Intellekt an. Sie werden
von allen gemeinsam gestaltet und, ja: Musik, Bewegung, Chants, Meditationen,
Tanz und Theater - all das kann ausprobiert werden als Möglichkeit, mit der
Tora und mit Gott in Verbindung zu treten.
Wir bemühen uns um Tikkun Olam, die
Heilung des Zerbrochenen in der Welt, mithilfe der Mitzwot und durch das
Ausüben von Wohltaten. Wir fühlen uns mit Israel tief verbunden und möchten
unsere Vision von einem friedlichen Zusammenleben der Kinder Isaaks und der
Kinder Ishmaels im gelobten Land unserer Vorfahren verwirklicht sehen.
Gegenüber der Weisheit anderer Traditionen pflegen wir eine offene und
respektvolle Haltung UND wir sind gleichzeitig maximalistisch, NICHT
minimalistisch, was unser Judentum betrifft!
"ALEPH
- Alliance for Jewish Renewal" ist ein US-amerikanischer Verband, der ins
Leben gerufen wurde, um Jewish Renewal zu fördern. ALEPH ist Dachorganisation
für eine Reihe von Projekten, darunter das ALEPH Seminar, das Rabbiner,
Kantoren und rabbinic pastors (livui ruchani) ausbildet. Ein
Blick auf die Website von ALEPH genügt, um sich von der
Ernsthaftigkeit und dem akademischen Anspruch dieser Studiengänge zu
überzeugen. Die meisten Studenten studieren fünf bis zehn Jahre, während sie
gleichzeitig Gemeinden leiten, unterrichten oder durch Praktika und
ehrenamtliche Arbeit im Dienst der jüdischen Gemeinschaft stehen. Die
Rabbinervereinigungen einer wachsenden Anzahl amerikanischer Großstädte
erkennen ALEPH-ordinierte Rabbiner als vollwertige Mitglieder an. Das
wichtigste Zeichen für den Erfolg von Jewish Renewal aber ist die Tatsache,
dass immer mehr Synagogen anderer
Strömungen/Denominationen in den USA
sowie zunehmend auch in Australien, Europa, Mittel- und Südamerika unsere
Anliegen und Anregungen in ihren Gottesdiensten, dem Textstudium und der
religiösen Bildung aufgreifen.
Text: Marcia Prager Übersetzung: Isabelle Wagner
Rabbinerin
Marcia Prager ist Absolventin des Reconstructionist Rabbinical College,
Rabbinerin der P'nai Or Renewal Gemeinde in Philadelphia und Direktorin und
Dekanin des Ordinationsstudiengangs von ALEPH.
Rabbi Marcia Pragers Reise von Purim zu Pessach und Schawuoth
Falls Sie den nächtlichen Himmel vor Pessach betrachtet haben, ist
Ihnen vielleicht das erste winzige Scheibchen des Neumonds aufgefallen.
In der jüdischen Welt sind wir Mondbeobachter, denn jeder neue
Monat beginnt mit einem neuen Mond. Im beginnenden Frühjahr oder
manchmal sogar im späten Winter, feiern wir den neuen Mond
des hebräischen Monats Adar, der Monat, dessen Motto lautet:
"mit dem Monat Adar wächst die Freude!" Warum? - weil sich der
Winter zurückzieht und das Purimfest im Anzug ist. Einen Monat
später sehen wir einen anderen Neumond, der den tatsächlichen
Frühlingsbeginn anzeigt. Dieser neue Mond verkündet den Monat
Nissan, den Frühlingsmonat: Befreiung vom beengenden, kalten
Winter! Wiedergeburt! Und was passiert 15 Tage später , zum vollen
Mond im Monat Nissan? Wir feiern das Pessachfest. Wenn wir die
spirituelle Reise verstehen wollen, die im Monat Nissan beginnt, hilft
uns Purim weiter, das auf den Vollmond des Monats Adar fällt.
Schauen wir daher zunächst auf Nissan und kommen dann auf Adar und
das Purimfest zurück. Der Monat Nissan, der Frühlingsmonat,
wird manchmal auch der Monat des "Sprechens" genannt, denn
Pessach, auf Englisch Pass-over, ist in diesem Monat. Das
hebräische Verb "sach" bedeutet erzählen und "peh" heisst
Mund. Daher kann man Pessach -Passover- auch mit "ein Mund, der
erzählt" übersetzen. Und was für eine wunderbare
Geschichte gibt es da zu erzählen! Zum vollen Mond von Nissan
kommen wir zusammen, um das Pessachfest zu feiern. Wir sitzen zusammen
und erzählen die Geschichte von Yitziat Mitzrayim, dem Auszug aus
Ägypten. Hören Sie das TZR in MiTZRayim? Auf
Hebräisch ist der Name ds Landes, in dem wir Sklaven waren, nicht
Ägypten sondern Mitzrayim. TZR bedeutet Enge ( wie das jiddische
Tsuris). TZR - der zu enge Ort, der "Ort, an dem alles Leben aus uns
gequetscht wurde". Unsere Befreiung aus dem Ort der Enge ist eine der
grossen Geschichten der Menschheit und beschreibt ausserdem eine
Herausforderung, mit der das Leben uns alle konfrontieren kann. Diese
Geschichte ist so aussergewöhnlich, dass das Büchlein
mit den Liedern und Geschichten, die wir am Pessach-Seder lesen, auch
Haggada heisst. Das bedeutet schlicht "Erzählung". An Pessach
offenbart sich Gott uns als eine lodernde Flamme und
befreiende Kraft, die uns aus Mitzrayim herausführt und am Sinai
einen Bund mit uns als Volk schliesst. Als Drama und in tausendfacher
Besetzung greift Gott in die Geschichte ein, um ein unterdrücktes
Volk zu befreien und in die Freiheit zu führen. Am Sinai offenbart
sich uns Gott mit Blitz und Donner. Wir erhalten die Tora und lernen
Freiheit auf eine ganz neue Art kennen: Freiheit als Bekenntnis
und Verpflichtung. Wir dienen keinem anderen Herrscher als Gott. Wir
hören wie Gott uns zuruft: "Ihr sollt heilig werden, denn heilig
bin ICH, Euer Gott." (Leviticus 19:2, Übers. Buber/Rosenzweig).
Wir verpflichten uns und alle kommenden Generationen diesem Streben:
ein heiliges Volk in brit olam, einem ewigen Bund mit dem Schöpfer
der Welt zu sein. Die Wanderung von Mitzrayim zum Sinai ist eine
Wanderung aus der Freiheit in die Verpflichtung, von einem
ungestümen Lauf in die Freiheit zu einem ganz besonderen Ziel. Es
ist eine Zeit der Kultivierung, der Vorbereitung und Öffnung, um
Gottes aktive Präsenz in unseren Leben, in Tora und Mitzwot zu
spüren... An Schawuot feiern wir die Offenbarung am Sinai! Die
Erfüllung der Reise in die Freiheit, die Pessach begann; eine
heilige Zeit, in der wir wieder am Berg Sinai stehen, um unsere Herzen
für das ICH BIN des Universums zu öffnen, um die Tora zu
empfangen. Hier kommen wir an einen spannenden Punkt: wenn Sie sich an
die Geschichte vom Exodus erinnen, wer war wohl der grösste Held?
Wenn Sie Moshe gesagt haben, haben Sie recht. Aber dann wird es
Sie überraschen, dass in der traditionellen Hagada, der
"Erzählung", die am Sederabend gelesen wird, Moshe überhaupt
nicht erwähnt wird. Wer steht im Mittelpunkt der Haggada? Wenn Sie
Gott gesagt haben, haben Sie recht. Um diesen Gedanken weiter
fortzuführen, müssen Sie wissen, dass wir an Purim die
Megilla Esther chanten, genauso wie an Pessach die Haggada. Die Megilla
ist die Schriftrolle, die die Geschichte der Königin Esther, ihres
noblen Onkels Mordechai, des Königs Ahasverus und des
verbrecherischen Ministers Haman erzählt. In der Geschichte
erfährt Mordechai von Hamans Plan, die jüdischen Dörfer
Persiens zu zerstören und die Beute einzustreichen. Mordechais
junge Nichte Esther, die glücklicherweise kurz vorher die neue
Königin Persiens geworden ist, ist die Einzige, die diesen
teuflischen Plan möglichwerweise verhindern kann. Mit grossem
Glauben und Mut versteht sie es, den König zur
Rücknahme des Dekrets zu bewegen. Das Böse ist besiegt und
das Gute triumphiert. In der Megilla Esther haben alle Helden
Hauptrollen. Nur einer fehlt. Überraschung! Gott wird noch nicht
einmal ein einziges Mal erwähnt. Zu Pessach ist Moshe
verborgen und Gott wird sichtbar. In der Megilla Esther ist Gott
so verborgen, dass er nicht ein einziges Mal erscheint. Was soll das
bedeuten? Wenn Gott an Pessach und Schawuot derart präsent
ist, warum fehlt er dann an Purim? Schauen wir einmal genau hin:
Purim ist auch das Fest der Verkleidungen und Verhüllungen. Die
Realität ist versteckt unter Masken. Wahrheit kann versteckt sein.
Manchmal ist sogar Gott versteckt. Um die wirkliche Purimsgeschichte zu
finden, müssen wir daher unter der Oberfläche suchen. Das
Thema des Versteckens findet sich sogar im Namen der Hauptheldin:
Esther kommt von dem hebräischen Wort "nistar", das verstecken
heisst. Gott ist NISTAR/ versteckt in der Purim-Geschichte. Purim zeigt
uns hinter den Masken nach der versteckten Wahrheit zu suchen. Purim
lehrt uns etwas, das uns allen sehr schwer fällt: uns in unserer
eigenen Welt und in unserem eigenen Leben mit der grössten
Täuschung auseinanderzusetzen. Nämlich der, dass Gott in
unserem Leben nicht gegenwärtig ist, dass er nicht auch
durch unser Leben handelt. Kabbalisten beschreiben unsere materielle,
stoffliche Welt oft als "olam ha-p´ridah", eine Welt der Trennung
und Gegensätze: Gut und Böse, Richtig und Falsch usw. Esther
muss sich aus der Purdah, dem abgeschlossenen Harem,
herausschleichen, um dem König gegenüberzutreten und die
Juden Persiens zu retten. Für die Kabbalisten ist die Welt der
Purdah - olam ha-p´ridah eine Reise zu yichud: die göttliche
Einheit, die scheinbare Widersprüche unserer Welt transzendiert.
Zu Purim erfahren wir, dass Gott durch alles fliesst und alles IST.
Daher lesen wir zu Purim, dem vollen Mond im Monat Adar, die Megilla
Esther, um das, was versteckt ist an das Tageslicht zu bringen. Lasst
uns hinter die Masken schauen und tiefste Wahrheiten erkennen. Lasst
uns Trennungen überschreiten und auf der Reise von
Purim zu Pessach die unendliche Einheit des Seins spüren .
Wir danken Rabbinerin Marcia Prager, dass wir ihren Artikel leicht
gekürzt und übersetzt auf unserer website
veröffentlichen dürfen. Der ungekürzte Original-Artikel
findet sich auf unserer englischen Jewish Renewal Seite.
Marcia Prager graduierte vom Reconstructionist Rabbinical College und
ist Rabbinerin der Philadelphia P´ai Or Jewish Renewal
Community sowie Direktorin und Dekanin des Aleph Ordination
Program. (http://www.rabbimarciaprager.com)
Übersetzung: Etha Jimenez